Self-Sovereign Identity Brainstorming Session II

Chainist Meetup #22

Krystian Gaus
6 min readDec 21, 2020

Unter Self-Sovereign Identity versteht man sowohl eine technische Lösung als auch eine auf Menschenwürde basierende Ideologie. In unserer zweiten Brainstorming Session am 28. Februar 2020 haben wir uns weiteren Fragestellungen mit Social Impact gewidmet.

Bei unserer ersten SSI Brainstorming Session sammelten wir Learnings und Input zum bevorstehenden Odyssey Hackathon in den Niederlanden. Zu diesem Zeitpunkt war noch unklar, ob unser Team Breakers of Chains an der ersehnten SSI Challenge teilnehmen wird oder nicht. Nach einer Telefonkonferenz mit den Odyssey-Organisatoren ist es nun gewiss. Wir wurden leider nicht dafür ausgewählt. Jedoch erhielten wir die Zusage an einer anderen Challenge teilnehmen zu können. Aus diesem Grund nutzten wir dieses Meetup, um tiefer in die einzelnen Challenges einzutauchen und schafften somit eine spannende Diskussionsgrundlage über den Social Impact von Blockchain-Technologien. Neben den Team-Mitgliedern Nhan, Lucas (er leistete auf der Arbeit Überstunden, um am Meetup teilzunehmen) und mir, waren noch Luis und Aleeza von Brainbot anwesend sowie unser Blockchain-Trainer Volker. Schön, dass ihr da wart und vielen Dank für euren Input!

„Optimierbar ist, was messbar ist”

Schon zu Beginn eröffnete Volker eine Gesprächsrunde über die Wichtigkeit, Relevantes von Messbaren zu unterscheiden. Evolutionsbedingt tendiere der Mensch dazu sein Leben optimieren zu wollen, was in seinem Überlebenswillen begründet ist. Und hier ist schon die Krux bei der Sache. Optimieren kann man nur etwas, das in irgendeiner Form verständlich ausdrückbar ist. Anders formuliert: Optimierbar sind Dinge, die messbar sind.

Über die Menschheitsgeschichte hinweg wurden unsere Messwerkzeuge immer besser und präziser. Wir nutzen Buchstaben, Zahlen, Formeln und vieles mehr. Wissenschaften und innovative Erfindungen sind in unserem heutigen Leben präsenter und untrennbarer denn je. Uns allen ist intuitiv klar, Messbares schafft eine objektive Diskussionsgrundlage. Und dennoch ist hier ein tiefes Problem verankert — Messbares versperrt uns die Augen vor den wirklich relevanten Dingen. Relevantes ist nicht greifbar und man kann es nicht (oder sehr erschwert) in Formeln gießen. Kann man beispielsweise “Zufriedenheit” in einer Volkswirtschaft messen? Die ernüchternde Antwort ist: Nein, wir können es nicht.

Interessierte sollten in diesem Zuge mal Goodhart’s Gesetz anschauen. Laut seiner Theorie ändert sich etwas, sobald man es gemessen hat (“Once you measure something, it changes”).

Es ist schwierig über Relevantes zu reden. Dennoch dürfen wir nicht den Fehler machen und uns auf das Messbare versteifen. Wir müssen uns daher auf die Schnittmenge von Relevantem und Messbarem fokussieren.

„Innovation geht immer am Standard vorbei”

Schnell haben wir einige Favoriten unter den Challenges erschlossen, unter anderem im Bereich Öffentliche Sicherheit, Supply Chain, Kooperative Systeme und Elektrizität. Dem besprochenen Relevanz-Messbarkeits-Prinzip folgend versuchten wir die sinnvollen und umsetzbaren Challenges zu erschließen.

Anstatt uns zu fragen, wie eine App für die Bepflanzung von Bäumen einen Anreiz hierfür bieten könnte, fragten wir uns, ob das Bepflanzen selbst zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beitragen kann. Wissen wir tatsächlich, dass der Boden in diesem Fall optimal genutzt wird? Was wissen wir überhaupt über die stattfindende Umsetzung von Kohlenstoffdioxid zu Sauerstoff in einer Pflanze?

Ebenso fragten wir uns, ob die Idee von fossilfreier Energie nicht doch am eigentlichen Problem vorbei geht. Werden Menschen, deren Grundbedürfnisse nicht befriedigt sind tatsächlich auf fossile Energie verzichten, wenn es um ihr Überleben geht? Was ist wenn keine andere Möglichkeit zur Wärmeerzeugung besteht als literweise Öl und Benzin zu verbrennen? Ich persönlich wüsste, was meine Priorität in solch einem Fall wäre.

Volker brachte das Grundproblem für das Scheitern vieler Lösungen auf den Punkt — Regulation und Infrastruktur. Reflektiert man von diesem Standpunkt aus über Schienen- oder Kommunikationsnetze, so wird das Problem offensichtlich. Damit erweisen sich Dezentralisierung in einem zentralen Energiemarkt und folglich die Odyssey-Challenges in diesem Bereich — wie z. B. Balance the Grid — als äußerst schwierig.

Doch wie funktioniert Innovation? Lasst uns hierzu einige Beispiele betrachten. Henry Ford entschied zu einer Zeit als Autos noch Raritäten und somit in der Produktion sehr teuer waren, daraus eine Massenware zu machen. In einer Welt, in der sich finanzieller Erfolg einer Musikband an der verkauften Stückzahl der Platten orientierte, verschenkte Nine Inch Nails Frontmann Trent Reznor seine Alben und machte enormen Gewinn mit dem Verkauf einiger weniger Ultra-Deluxe Editionen. Apple erleichterte den Vertrieb und das Marketing von Apps mit Hilfe des Apple Stores. Amazon erlaubte Schriftstellern ihre Werke direkt an ihre Leser weiterzugeben. Netflix erlaubt seinen Usern jede erdenkliche Serie zu einer beliebigen Tageszeit zu sehen. Wir fassen zusammen: Innovation geht immer am Standard vorbei.

Die Wahl der richtigen Blockchain-Hackathon Challenge

Am Ende hatte Lucas eine geniale Idee. Was wäre, wenn wir uns als Konsumenten nicht mehr auf die Angaben der Produkthersteller verlassen müssten? Was wäre, wenn wir stattdessen wahrheitsgemäße Informationen der einzelnen Produktkomponenten selbst hätten? Was wäre, wenn wir ebenso die Informationen der Zulieferer und Hersteller dieser Komponenten hätten? Wir hätten ein Informationsnetz geschaffen, auf dessen Pfaden wir jeden erdenklichen Ursprungsort einer Teilkomponente des fertigen Produkts zurückverfolgen und somit die tatsächliche Qualität eines Produkts bewerten könnten.

Diese Idee erinnert sehr an typische Supply Chain Anwendungen, nur eben gekoppelt an ein Reputationssystem. Und auch solch eine Lösung ist nicht vor Manipulationen geschützt. Doch wir wissen eines. Menschen reden über Missstände mit ihrer Familie und ihren Freunden. Muss ein Arbeitnehmer vergammeltes Fleisch verarbeiten, so wissen dies auch andere Menschen. Benutzer der uns vorschwebenden Lösung müssen also in der Lage sein, solch Missstände melden zu können — und zwar anonym und sicher! Damit war das letzte Element in unserem Lösungsansatz gefunden und unsere präferierte Challenge gewählt: Inclusive Safety Communities.

Fazit

Das Team Breakers of Chains wurde nicht für die Haupt-SSI-Challenge ausgewählt. Doch das hält uns nicht davon ab SSI in den anderen Hackathon-Challenges anzuwenden, denn viele der restlichen Challenges haben Potenzial SSI zu nutzen. Es handelt sich um Challenges, in denen wir als interdisziplinäres Team unser Wissen aus Informatik, IoT, Wirtschaft, Recht und Business Development einbringen können, um kreative Konzepte und Lösungen für die Odyssey-Herausforderungen zu entwickeln. Im Idealfall werden wir diese auch nach dem Hackathon in die Tat umsetzen dürfen.

Spoiler (Stand 21.12.2020): Am Ende kam doch alles anders als erhofft. Wir landeten in der Challenge Nature 2.0 und widmeten uns dem Thema Wasser. Entgegen allen Erwartungen hatten wir unter unserem Challenge-Holder Jan-Peter Doomernik eine sehr herausfordernde Zeit, die wir allerdings nicht missen möchten. Anstatt uns auf Identitäten zu fokussieren, sollten wir uns die Natur zum Vorbild nehmen, in denen Lebewesen ohne einer Vorstellung von Besitz und Identität koexistieren. Wir sollten unsere auf Knappheit und Kontrolle basierenden Glaubenssysteme hinterfragen, unsere lösungsorientierte Herangehensweise ablegen und unsere mit Wasser verbundenen Fragestellungen aus der Sicht einer Welt des Überflusses mit unzähligen Optionen betrachten. Das Video What questions do we need? und Jan-Peter’s TEDx-Talk geben eine Vorstellung davon welchen Fragen wir uns stellen mussten. Eines sei gesagt: Der Prozess, den wir durchlaufen haben, war äußerst zäh und brachte uns oft an den Rand der Verzweiflung. Egal was war — der Schweiß und die ganze harte Arbeit brachte am Hackathon selbst etwas Wunderbares hervor. Daraus resultiert ist The Collective mit dem Ziel eine Community zu bilden, um soziale, besitzlose und kostenfreie Ökosysteme zu schaffen, die allen einen Mehrwert bieten. Mehr Infos erhältst du unter naturehacked.us und der zugehörigen Meetup-Gruppe Nature Hacked Us.

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